Achtung böse: Schonungslos und definitiv subjektiv berichtet Anne Wenkel von der Fashion Week 2012 – von schönen Menschen, unaussprechlichen Labeln und über Mode, die mehr sein will als bloßer Stoff. Gemeinsam mit Assistent Alf-Tobias Zahn urteilt sie über öko-faires Sein und grün-schimmernden Schein und stellt die Frage des Tages.
Was wäre die Fashion Week ohne einen Besuch der vielen Schauen und Laufstege? Genau: Kein Besuch der Fashion Week! Deswegen waren Anne und Assistent Alf in öko-fairer Mission auf dem Lavera Showfloor unterwegs. Die Objekte der modischen Begierde: Julia Starp, Göttin des Glücks und Lars Wallin.
Lavera Showfloor oder „Auf welcher Liste steht ihr denn?“
„Steht ihr auf der Liste von Julia?“, begrüßte eine nette Dame Anne und Assistent Alf am Eingang des Showfloors. „Nein, eher Presse, Blog und so!“. Letztlich standen die beiden auf keiner Liste, wie sich herausstellte. Anne und Alf zückten also kurzerhand ihre Visitenkarten, damit der Showfloor-Abend nicht schon zu Ende war, bevor er überhaupt begonnen hatte.
An der Garderobe bekamen alle Gäste, die sich ihrer wärmenden Bekleidung entledigten, ein Lavera Goodie Bag für die eigene Visage. Kundenfang leicht gemacht – wenigstens waren die Produkte deutlich besser als das Beinbalsam und der neueste Mascara im Goodie Bag der MBFW (BTW: WTF!?!) (wir lieben Akronyme).
Anne, der Ästhetin, missfielen bereits in den ersten Minuten nicht nur die Getränkepreise, sondern vor allem die Komposition des Veranstaltungsortes: Ein überdimensioniertes Lavera Poster brüllte den Gästen den Zusatz „Naturkosmetik“ etwas zu aufdringlich entgegen. Gepaart mit dem Karstadttechno 2.0 im Hintergrund wurde den Besucherinnen und Besuchern eine Melange aus öko-fairen Produkten und modisch anmutender Kleidungspräsentation geboten, die noch einer künstlerischen Abstimmung bedurft hätte. Punkt.
Julia Starp oder die Selbstbestimmung der Seidenraupen
Wer nun diese Julia ist, auf deren Liste wir hätten stehen können, könnte sich der/die ein oder ander/e jetzt fragen. Gemeint war Julia Starp, Designerin aus Hamburg, die bereits im Vorfeld der Fashion Week für ihre Kollektion „Spiegelverkehrt“ gelobt wurde. Eine der Besonderheiten: Sie arbeitet mit der Initiative „Cotton made in Africa“ zusammen:
Die Aid by Trade Foundation verfolgt einen innovativen Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit. Statt Geld nach Afrika zu schicken, leistet ihre Cotton made in Africa Initiative nach den Prinzipien eines „Social Business“ Hilfe zur Selbsthilfe durch Handel. Die afrikanischen Kleinbauern, die sich der Initiative angeschlossen haben, sind dabei Partner auf Augenhöhe.
Sicherlich ein guter Ansatz – nur leider half dieser der Kollektion nicht wirklich weiter. Wieso?
Die Schnitte sind ganz ok, aber die Stoffe? Konzentrische Kreise auf Strickware – 50er-Jahre-Zitate können auch stilvoller sein. Schön auch: alle Models tragen struppige Wüstenhexen auf ihrem Zopf! Was soll mir das sagen? Immerhin: Barbara Meier läuft mit. Allerdings: Anstatt Concealer war wohl nur noch Spachtelgips da! Die arme Frau hatte gar keine Gesichtsfarbe mehr!
Mit einem weiteren Aspekt ihrer Kollektion und Herangehensweise hatte es Julia Starp auch in die Financial Times Deutschland (FTD) geschafft: „Seidenraupen sollen nicht sterben, nur damit der Mensch seine Eitelkeit befriedigt“. Anstelle der konventionellen Art und Weise der Seidengewinnung – „die Raupen werden mit den Kokons ins kochende Wasser geworfen!“ – bevorzugt Starp laut FTD „die rauere Peace Silk, aus der die Tiere schon geschlüpft sind.“
Die Selbstbestimmung der Seidenraupe und die Baumwoll-Initiative mehrere afrikanischer Staaten – an diesen beiden Randaspekten erkennt man bereits: Es geht bei Julia Starp erst in zweiter Linie um die eigentliche Mode. Die Verkaufsargumente sind andere … und das war nicht zu übersehen!
Göttin des Glücks oder Lakshmi und Chapati
Viel Kritik sammelte sich also bereits nach dem ersten „Walk“ im Assistentenbüchlein – doch dies war nichts gegen die Tiraden, die Madame Wenkel sich über die Göttin des Glücks erlaubte! Genauer: Es fehlten ihr zunächst die Worte, dann, nach einem Moment der Einkehr, das entsprechende Vokabular. Glücklicherweise waren doch noch einige Gäste anwesend, die Anne einige derbe Worte leihen konnten.
Eigentlich hat meine Erinnerung alles Schreckliche ausgeblendet – leider habe ich ein Faltblatt von der kurzrasierten Rothaar-Göttin mitgenommen: Zauberhafte Namen wie „Lakshmi“ oder „Eurynome“, plüschige Hippieschnitte à la Chapati in quietschigem Rosa-Rot und Lila. Dazu noch eine Petrol-Strumpfhose und Lack-Gummistiefel in Pink.
Ja, da schlägt das Prenzl’Berger Herz der Mit-40er während der Stillzeit höher! Oder auch: Optischer Patschulliduft für die Ethno-Hexe von heute. Mode, die auf der Fashion Week präsentiert wird bzw. die dort vermutet wird, geht anders!
Eine weitere Beobachtung am Rande: Zwei „Buben“ im mittleren 20er-Bereich, die ernsthaft im Nautic-Yacht-Chic auf eine Fashion Show in Berlin kommen und sich damit wohl fein angezogen fühlen. Anne wiederum fühlte sich prompt an Gilligan’s Island erinnert!
Lars Wallin oder die Prügel in der ersten Reihe
So unzufrieden? Ist doch öko und fair und toll und nachhaltig! Was ist denn los? Ja, stimmt alles. Ist aber auch – rein subjektiv geschrieben – weit davon entfernt, wirkliche Mode zu sein. Stoffe mit Mustern? Ja. Stilvolle Mode mit Anspruch? Nein. Der letzte Walk des Abends rettete zumindest diese Hoffnung: Toll anzusehende Haute Couture vom königlich schwedischen Hofdesigner Lars Wallin.
Tolle Mode und auch mal passende Musik zur Schau, so die einhellige Meinung der beiden Schreiberlinge und der anderen Rümpfnasen in den Reihen 2-7. Was allerdings Wallin mit öko-fairer Mode zu tun hat, konnten wir selbst nach investigativster Recherche nicht mehr herausfinden. (Wer was weiß: Bitte kommentieren)
Die Highlights: Das Publikum in Gänze (darunter D-Prominente und Ex-TV-Sternchen) und im Speziellen die Bewegungen in der ersten Reihe (kleiner dicker Mann mit hünenhaften Damen an seiner Linken und Rechten bewegten sich zwei Mal auf ihre Plätze zu, nachdem beim ersten Mal diese Plätze belegt waren und die Kameras nicht auf sie gerichtet waren) waren der Knaller! In der gebotenen Kürze kann dies gar nicht so realitätsnah erläutert werden, ohne die Skurrilität der Szenerie nicht nachhaltig zu verwässern.
Die Frage des Abends
Was haben Kirmes-Techno, brandenburgische Modeinteressierte und die zarten Triebe öko-fairer Mode gemeinsam?
5 comments
Shooter says:
Feb 13, 2012
Haters an die Front. Und ja nicht gut recherchieren – muss man auch nicht, wenn man sich in einem brandaktuellen Medium knapp 20 Tage später mit einem Event beschäftigt – just in time quasi.
Ach ja, wir sind ja auf einem Blog, da gehts eh nur um die persönliche Meinung und nicht um gehaltvollen Journalismus. Dumm nur, wenn die eigene Meinung so dargestellt wird als wäre es Fakt.
Wo wir schon bei Fakt sind, da werden auch gerne mal Fakten weggelassen, weil man sie nicht kennt – auch doof für die Leser, wenn man sich über etwas lustig macht, den Hintergrund aber nicht kennt. Würde man ihn kennen wärs nämlich auch nur halb so lustig.
Aber ist ja egal, es geht ja eh nur darum Fans um sich zu scheren, die auch ohne nachzudenken und nachzurecherchieren eine mit genügend Arroganz gespickte Meinung zu liken und alles für bare Münze zu nehmen.
Aber ok. Ich war dort und habe Julia Starp & Lars Wallin gesehen. Die Göttin des Glücks habe ich ausgelassen, weil man sich vorher informiert hat und es einem dort schon nicht gefallen hat. So konnte man die Zeit besser nutzen und war nicht überrascht.
Dass der Lavera Showfloor auf Öko spezialisiert ist, sollte nach ein paar Jahren bekannt sein – dass dort Lavera Naturkosmetik als Hauptsponsor auftritt auch. Mercedes stellt beim Zelt seine Autos hin, Lavera hier seine Naturkosmetik. Wo ist das Problem?
Dass zwischen dem Showfloor und dem MB-Zelt sowohl von der Veranstaltung her, als auch vom Auftreten der Sponsoren und der Mode / Designer und der Models ein Niveau-Unterschied besteht, sollte klar sein. Trotzdem berechtigt es niemanden vor Erfurcht vor den Designer im Zelt zu erstarren noch über die Designer im Showfloor eine geringfügig qualifizierte Meinung zu verbreiten.
Kritik darf jeder üben, dann aber bitte mit Beispielen anhand von Outfits und Fotos und am besten argumentativ und nicht pauschal im Sinne von „Kreise sind doof“.
Ambivalente Argumentation scheint hier „in“ zu sein. Bei Frau Starp wird angeprangert, dass es zu sehr um Öko geht (auf einer Ökoveranstaltung….) und zu wenig um Mode, beim Herrn Wallin wiederum wird nach Öko gefragt, aber die Mode sei toll.
Zu den Getränkepreisen kann ich nichts sagen, das ging alles aufs Haus. Aber man kann ja auch den Showfloor für die Öffentlichkeit sperren und nur geladene Gäste – wie im Zelt zulassen. Das wäre doch bestimmt toll für die Modebranche, wenn sie gar nicht mehr den Modeinteressierten erreicht. Der Showfloor öffnet endlich mal die Welt für kleinere Labels und die Leute von der Straße. Gerade für das Modeentwicklungsland Deutschland ist das eine gute Sache.
Julia Starp war sicher Geschmackssache, es gab schöne Stücke und einige gewöhnungsbedürftige, wer Julia verfolgt hat, erkennt eine Entwicklung in den letzten 2 Jahren, was durchaus interessant ist.
Lars Wallin war eine andere Klasse. Aber Vorsicht beim Lustigmachen. Was den kleinen dicken Mann mit den beiden großen Mädls angeht – wer ein wenig aufgepasst hat, hätte evtl. erkennen können, dass die Extra Kameras, die bei seiner Show waren, etwas mit Dreharbeiten zutun gehabt haben könnten – gerade auch weil Lars Wallin Jurymitglied von Sweden’s Next Topmodel ist. Da macht man Sachen schon mal doppelt beim Dreh.
Der „kleine dicke Mann“ war Jonas Hallberg ( http://stylistjonas.com/ ) schwedischer Stylist aus Hollywood und ebenfalls bei der Show involviert. Zählt man nun 3/4 und 1/4 zusammen, dann drängt sich in einem nicht ganz ignoranten Hirn die Meinung auf, dass die beiden Mädls an seiner Seite Kandidatinnen gewesen sein könnten – sofern man der Bruchrechnung mächtig ist. Und nun – hoppla – ist der ganze Witz an der Situation irgendwie verflogen… Was lernen wir daraus? Zu viele Informationen sind nicht gut, sie sind zu aufwändig zu sammeln und machen ja auch noch den Witz kaputt!
Um beim Showfloor und im Ökojargon zu bleiben: Das war ein Artikel vollkommen ohne Nachhaltigkeit.
Michael Skibbe says:
Feb 13, 2012
Lieber Shooter,
da musste offensichtlich mal Druck abgelassen werden … Alter Schwede, du feuerst ja aus allen Rohren. Fürs Google Ranking dieses Blogposts auf jeden Fall klasse. Danke.
Schön, dass du den Weg hierher gefunden hast. Wie einige andere auch, die den Artikel mit einem „Like“ versehen haben – wobei die Autoren davon ausgehen, dass nicht alle alles für bare Münze halten. Du hast das auf alle Fälle getan.
Die Autorin war auch dort (Lavera Showfloor), so wie du bzw. „man“. Sie war auch sonst unterwegs – nicht überall und nicht jederzeit, aber in Ausschnitten. Und diese Ausschnitte haben den Weg in den Blog gefunden. Subjektiv. Allumfänglichkeit war für dieses Format nicht geplant. Dafür ist das hier auch nicht der richtige Kanal (wie du bereits ganz richtig angemerkt hast).
Wir könnten dir auf manche Frage jetzt noch antworten – zum Beispiel was wir wohl gegen Mercedes als Sponsor haben könnten, wenn ein Automobilkonzern, der sich zuletzt auf der Abu Dhabi Arms Fair wieder von seiner besten Seite gezeigt hat, sich einen grünen Mantel überstülpt und von vielen „grünen“ Modemachern profitiert – oder manche Anspielung deinerseits auflösen – Warum verfliegt ein Witz, wenn die Situation trotz deiner Präzisierung weiterhin grotesk ist/war? (Eigentlich macht es den Witz und die Situation an sich noch lustiger) -, aber: Wäre das nachhaltig? Du hast deine Meinung ja bereits gefunden.
Mit sportiven Grüßen,
Michael Skibbe (so von unbekannt zu unbekannt)
Shooter says:
Feb 13, 2012
Lieber Fussballfan ^^
Danke für den sehr sportlichen Return meines harten Aufschlages. Sicher war ich ein wenig sehr Ivan Lendl, was das angeht, aber ich wollte dem McEnroe-Gepöbel ein wenig etwas entgegensetzen. Ich finde lediglich Bewertungen von oben herab und mit zu spitzer Zunge schwierig, wenn nicht genug Luft im Ball vorhanden ist. Man muss und soll gar nicht alles gutfinden, aber man braucht auch nicht mit einer gewissen Arroganz an die Kritik herangehen – gerade auch nicht, wenn man sich auf dünnes Eis begibt. Natürlich hab ichs Netz kaputtgeschossen, aber manchmal muss das sein, um etwas darzustellen. Mehr als das aufzeigen wollte ich nicht. Klingt jetzt oberlehrerhaft – das lasse ich mir nachsagen. Da kam vorhin der Olli durch. Ich bitte um Bananen.
So und jetzt mach ich einen auf Klinsi und verlasse nach der großen Show das Schiff.
Greetz,
Shooter
PS: Da Du sicher auch einer der Betreiber der Seite bist, danke ich Dir für Deine mehr als angemessene Reaktion.
Michael Chang says:
Feb 14, 2012
Lieber Ivan McEnroe (was für eine Kombination),
wenn hart aufgeschlagen wird, dann kann manchmal der Schwung beim Retourn mitgenommen werden und es schlägt ein unerreichbarer Winner kurz vor der Grundlinie ein. Manchmal auch nicht. Gilt für Aufschläger und Retournspieler gleichermaßen.
Auf dünnem Eis ein Wimbledon-Finale zu bestreiten ist wahrscheinlich noch schwerer als auf diesem Rasen in London. Die Eckfahne stellen wir dir gerne auf den Court, wenn du weiterhin so gut hältst wie Ollis Nachfolger im Olympiastadion.
In diesem Sinne: „Man braucht Eier!“ Die haste … 🙂
Es grüßt Michael Chang
Shooter says:
Jun 12, 2012
hey, bald ist wieder fw ^^ auf ein neues match? hatte gerade durch zufall die diskussion wiedergefunden und amüsiere mich gerade prächtig. schön, dass eine solche diskussion auch lustig enden kann 🙂
greetz,
Shooter